Nach einer Nacht tiefen Schlafs und sogar mit Türe zwischen Ortwin und mir wache ich erholt auf. Es regnet, noch oder wieder. Kein Donnerwetter, aber das Trommeln der Tropfen hat etwas Beruhigendes. Also greife ich zuerst zu meinem Buch, bevor ich schließlich unter die Dusche springe und dann nach Ortwin schaue. Er liegt noch immer tief und fest unter einer dicken Decke. Die Klimaanlage läuft auf arktischen 16 Grad, was mich frösteln lässt, während Ortwin seelenruhig schnarcht, als wäre er in einem Winterschlaf. Ich rede beruhigend auf den Börsen ein. Aber er will nicht wach werden.
Da der Wetterbericht verspricht, dass die nächsten zwei Stunden zumindest wenig Regen bringen, ziehe ich mich an und wecke Ortwin doch noch. Unsere Zimmer teilen sich einen Balkon, ich klopfe daher diesmal von außen gegen die Scheibe bis er wach wird. Glaube er freut sich auch nach 18 Jahren noch immer über meine kreativen Weckmethoden. Ich erkläre dem müde drein blickenden Säufertier, dass ich mich auf einen kleinen nassen Spaziergang mache. Er murmelt nur, dass er noch etwas Zeit zum Aufwachen brauche und später nachkommen würde.
So streife ich allein los, entlang des Parks am Schwarzen Meer. Der Regen hält sich in Grenzen, die Luft ist frisch und klar. Die Autos in ihrer natürlichen Umgebung unterwegs. Während ich durch den Park schlendere, entdecke ich viele kleine Besonderheiten – Statuen, versteckte Ecken und natürlich die weite Aussicht auf das Meer. Die Strandpromenade hat ihren ganz eigenen Charme, besonders bei diesem Wetter. Es hält Touristen fern und ich muss weniger Mitmenschen umgehen.
Phallussymbole in Batumi
Schließlich führt mich mein Weg zur georgischen Nationalbank. Ein gutes Ziel, denn mein Bargeldvorrat liegt mutmaßlich noch im Bett. Mit meiner Visakarte mache ich mich also, ganz legal und nicht durch einen Banküberfall, um ein paar Lari reicher. Die hiesige Währung ergibt grob durch drei geteilte Europreise. Lange habe ich nicht mehr so viel einstellige Addition betrieben wie hier. Ich mache mich auf den Rückweg in die Wohnung. Doch als ich ankomme, ist kein Ortwin weit und breit. Wo er wohl hingegangen ist?
Am frühen Nachmittag treffen wir uns wieder. Ortwin hat ein Restaurant herausgesucht. Es trägt den urigen Titel „Beer yard“. Ich übersetze es mit dem in Berlin vielfach zu findenden Biertempel. Zu Hause gibt es dort unter anderem Frühstück für 3,90€ – hier kostet die Maß Bier 2 €. Nimm das kapitalistisches Oktoberfest. Bavaria in Georgia geht auch.
Ortwin bestellt einmal die Karte, ich hoffe, mit Karte zahlen zu können.
Kharcho
Zum Eintopf und Fleisch gibt es dreierlei Brot. Das aus Mais ist wohl am typischsten und sehr mächtig. Wir schaffen von zwei Stücken Brot gerade mal eines. Mit dem zweiten wird später der noch übrige Honig aus Bukarest verzehrt. Ihr merkt, wir haben noch Reste im Kühlschrank Rucksack.
»Ich bleibe dabei, das Bier ist grauselig. Aber für 0,66 € kann man das machen«
Ortwin beim ersten Bier
Das Essen ist spottbillig, die Kellner sehr bemüht und Berlinfans. Sie sind froh, dass wir englisch und nicht russisch sprechen. Wir geben gutes Trinkgeld, aber trinken das Bier nicht aus. Ab jetzt gibt es nur noch Wein!
Nach einem ausgiebigen Spaziergang nach Hause, der Regen hat zwischenzeitlich nachgelassen, ist erstmal Pause angesagt. Ich überrasche Ortwin vor seinem Mittagsschlaf noch mit einer Coke Zero mit Kaffeegeschmack (sic!), dann ruhen wir uns aus und es regnet wieder.
Die weiteren Abendpläne diskutieren wir angeregt bei einem Schluck Supermarktwein. Ortwin ist für Seilbahn, ich schlage vor seine Hose zu waschen. Aber was weiß ich schon. Also auf zur Seilbahn!
Die Seilbahn in Batumi – ein Muss für jeden der wie Ortwin zu faul für einen altmodischen Aufstieg ist und dennoch einen Blick über die Stadt und das Schwarze Meer erhaschen will. Sie startet am Hafen, dort wird abkassiert, und schwebt dann sanft hinauf auf den Anuria-Berg. Die Fahrt dauert etwa 10 Minuten und bietet eine atemberaubende Aussicht auf verschmutzte Scheiben – dahinter liegen sowohl die Küste als auch die Berge im Hinterland. Oben angekommen, erwartet einen ein kleines Café, in das man nicht möchte. Die Seilbahn ist nicht nur eine überteuerte Touristenattraktion, sondern tatsächlich ein schöner Weg, Batumi aus einer völlig neuen Perspektive zu fotografieren:
Abwärts geht es im Dunkeln. An der Promenade ist noch immer alles voller Menschen. Zeit fürs Abendessen, wir sind gerade Menschen mit leeren Mägen. Gemeinsam üben wir auf dem Weg zu einem Geheimtipp, den Ortwin aus dem Lonely Planet Forum und einem Google Maps Eintrag mit 27000 Bewertungen hat, wie wir bestellen:
Die Fußmärsche durch Batumi sind gleichzeitig Verdauungsspaziergänge. Etwa um zwanzig nach Seilbahn kommen wir am Restaurant an. Am Nebentisch sitzen Deutsche, wir sprechen daher fortan englisch um uns nicht zu outen. Ortwin schlägt mir vor was ich essen könnte, ich empfehle ihm etwas. Dann bestellt jeder für sich. Lesen Sie im folgenden wie es Ortwin geschmeckt hat:
Die Weinbegleitung, eine Flasche für zwei, wird ein kachetischer Weißwein. Hier endet aus verdauungstechnischen Gründen die kulinarische Berichterstattung für heute.
»Ich fürchte der Wein hat Alkohol«
Ortwin zwischen Flasche eins und zwei
Was wäre, wenn wir uns jetzt noch
Ortwin 23:50 Uhr
acht Cha Cha reinhebeln würden?
Und 14 Bier?