Um 4:20 Uhr deutscher Zeit klingelt mein Wecker. Ist das Urlaub? Warum denn eigentlich so früh, Ortwin?
Also los, hilft ja alles nichts. Während selbst die Schafe in Deutschland noch im Stall schlummern, geht es los. Der neu gebaute Bahnhof Batumi ist, wie in osteuropäischen Ländern üblich, weit entfernt vom Stadtzentrum und nicht fertig.
Erneut nehmen wir ein Taxi. Eduard fährt uns und ist der erste Taxifahrer, der sich anschnallt. Ob des wilden georgischen Verkehrs ist das für uns immer das erste, was wir tun, nach Beten.
Am Bahnhof angekommen erwartet uns eine pompöse Wartehalle.
Sie ist nicht geöffnet.
Wie das ganze, neue Gebäude steht hier alles leer und strahlt Blau vor sich hin. An weiterer Infrastruktur mangelt es ebenfalls. Sieht aus, als würde ich ohne Frühstück in den Zug müssen. Alle anderen Reisenden stehen bereits am Bahnsteig vor dem Zug, die App mit den Tickets geöffnet.
Drinnen hält das gewissenhafte Zugpersonal Listen aus Papier für die Passkontrollen bereit, wir dürfen aber noch nicht einsteigen.
»Der Bahnhofsbetrieb wirkt so, als würden sie hier Zug üben«
Ortwin, 07:42
Wir müssen gar nicht selbst beginnen; das deutsche Kulturgut „anstellen“ findet bereits kurz nach unserer Ankunft Anwendung. Wir reisen standesgemäß Business Class, mit verstellbaren Rückenlehnen, Fußblage und selbstverständlich mit beheizbaren Sitzen.
Warum? Ortwin erklärt mir stolz: »Das hier wäre nicht möglich gewesen ohne nächtliche YouTube-Sessions«.
Die Züge auf dieser Strecke sind nämlich gerne mal 14 Tage im Voraus ausgebucht – mit Ausnahme des kleinen Business Class Kontingent, das erst am Tag vorher freigeschaltet wird.
Ich danke meinem Reiseleiter für seine Arbeit mit einer Banane.
Ursprünglich war der Stadler-Zug, der heute zwischen Batumi und Tbilisi verkehrt, gar nicht für Georgien vorgesehen. Die Züge der „Azeri“-Baureihe sollten wohl eigentlich einen Flughafen in Russland anbinden.
Doch durch geopolitische Spannungen und internationale Sanktionen wurde das Projekt in eine andere Richtung gelenkt. Glück für Georgien, bequem für uns. Das Land nutzte die Chance, diese modernen Züge in sein eigenes Streckennetz aufzunehmen.
Heute rollt man also in einem hochmodernen Zug durch Georgien, der durchaus mit mehr Komfort und Ausstattung auftrumpft, als man sie in Mitteleuropa erwartet.
Dafür funktioniert das WLAN nicht, also alles ganz wie Zuhause.
Man hätte sogar einen richtig schönen Ausblick, wenn nicht die Werbung für irgendeine Euro 2024 das Fenster mit einem Fliegengitterdruck beschmutzen würde.
Ich erkenne noch, dass wir am botanischen Garten vorbei und unter der gestern von Ortwin genutzten Zipline entlangfahren. Wir fahren gute fünf Stunden. Bei 19 °C Außentemperatur und momentan ~75 Km/h ist es Zeit für ein Nickerchen und einen Kaffee für Ortwin.
Der ist natürlich kostenlos und wird in der Business Class an den Platz gebracht.
Angemessen!