Heute ist Migränetag, zumindest bei mir. Nach dem Frühstück falle ich wieder ins Bett und sage Ortwin, dass mit mir vorerst leider nichts anzufangen ist. Ein günstiger Moment für Ortwin ein Hobby auszuüben, auf das er schon seit Tagen lauert: Waschsalon. Er bittet mich inständig, auch Schmutzwäsche beizusteuern, »sonst sieht es so leer in der Trommel aus« und macht nochmal eben in die Hose sich dann auf zum zwanzig Minuten entfernten Waschsalon. Ich nutze diesen Post daher für einen kurzen Rückblick auf gestern und die Frage, womit ich reise.
Montag, 23.09.2024
Wir können unser Hotelzimmer, das preislich günstiger als manch Hostel andernorts ist, bereits gegen 10:30 und damit weit vor Check-in beziehen. Es hat eine Klimaanlage, unbequeme Betten und ein schlecht saniertes Bad, könnte also sowohl besser als auch schlechter sein.
Ortwin muss am Nachmittag etwas arbeiten, wir trennen uns daher und nachdem ich geschrieben habe, gehe ich spazieren und lese auf unterschiedlichen Parkbänken im nächsten Reiseroman.
Auf Bank Nummer drei setzt sich eine ältere Dame neben mich, und spricht mich einige Zeit später an. Wir kommen ins Gespräch und sie erzählt mir, dass sie, heute über 70, als junge Frau gerne und viel gereist ist. Woher ich komme, möchte sie wissen und als ich Deutschland sage, breitet sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus und wir machen eine Zeitreise zurück in die 70er Jahre. Sie, damals eine junge Frau, nutzte ihre Semesterferien während des Mathematikstudiums, um zu reisen: Berlin, Dresden, Prag, Budapest, Breslau, Danzig – ich kann nicht alles wiedergeben. Sanssouci und den Zwinger, sowie den Fernsehturm hat sie noch gut vor Augen. Manche Orte habe ich auch schon bereist und kann 40, 50 Jahre jüngere Perspektiven beisteuern. Bei manchen Dingen fehlen ihr die englischen Worte, auch wenn sie sogar heute noch ganze deutsche Sätze erinnert. Es ist einer der Momente, in denen ich mir einen Babelfisch im Ohr und ein Mikrofon in der Hand wünsche. Heute, schließt sie, könne sie nicht mehr reisen. Als Rentnerin in Armenien bekommt sie nur knapp 150 € im Monat, während auch hier die Lebensunterhaltskosten und ihre Medikamente teurer werden. Vielleicht war es ein Gespräch mit Absicht auf eine Spende, vielleicht auch nicht. Ich stecke ihr einen zusammengerollten Schein zu und bedanke mich für den Bericht.
Ich treffe Ortwin und gemeinsam steigen wir die Kaskade von Jerewan, eine monumentale Treppenanlage hoch, ohne zu wissen, was uns oben erwartet. Die Anlage hat 572 Stufen hat, die Aussicht ist phänomenal. Der Cascade Complex ist nicht nur eine simple Treppe, sondern ein architektonisches Meisterwerk, das in den 1970er Jahren begonnen, dessen erster Teil aber erst 2009 in seiner jetzigen Form fertiggestellt wurde.
Die Kalksteinstufen verbinden das Stadtzentrum mit dem höher gelegenen Monument-Viertel. Auf den Terrassen sind schöne Springbrunnen und viele Skulpturen und Blumen zu finden.
Das Cafesjian Center for the Arts, ein Museum für zeitgenössische Kunst und die im Inneren verborgenen Rolltreppen haben heute leider geschlossen.
Über dem beeindruckenden Komplex liegt eine bis heute unvollendete Baustelle, denn die Kaskade wurde infolge eines Erdbebens im Jahr 1988 und dem Zusammenbruch der Sowjetunion im oberen Bereich nicht fertiggestellt und bleibt trotz Geld und Bemühungen des armenisch-amerikanischen Juristen und Mäzen Gerard Cafesjian bisher unvollendet. Doch auch so ist das Bauwerk ein beeindruckender Ort und ausdauernde Großbaustellen ohne Zukunft sind wir in Deutschland ebenfalls gewohnt.
Der Abstieg geht auf die Waden, aber viele Hundert Stufen später (fürs Protokoll: da wir auch noch zu den Monumenten oberhalb der Kaskade sind, waren es insgesamt weit über tausend Stufen) sind wir wieder am Boden der Stadt und auf dem Weg zur Abendunterhaltung: Wein.
Ortwin hat mittags bereits Granatapfelwein getrunken und nun eine schöne Weinbar ausfindig gemacht. Es gibt ein nach Kürbis schmeckendes Glas Wein für Ortwin und einen trockenen Weißwein für mich. Dazu etwas Wurst und Aussicht auf die Speisen am Nebentisch des angrenzenden Grillrestaurants. Wir trinken, plaudern und entspannen unsere Beine. Später sind wir müde und traben zu unserem Hotel.
Whats in my Bag?
Minimalistisch reisen, das ist in diesem Jahr mein Motto. Bei 19 Tagen ist klar, dass wir nicht jeder 19 Unterhosen, T-Shirts und 38 Socken einpacken. Stattdessen einigten wir uns darauf, eine Waschmaschine mitzunehmen. Alle paar Tage eine Unterkunft mit Waschmaschine oder ein Waschsalon genügen. Was aber benötigt der Mensch unterwegs? Diese Liste soll euch eine Übersicht und mir ermöglichen, am 19. Tag der Reise festzustellen, was ich evtl. doch nicht hätte einpacken müssen. Mein Rucksack ist der hervorragende OPPOSETHIS Invisible Carry-On (wird leider nicht mehr produziert).
Bei Abreise trug ich Schuhe, Unterhose, kurze Hose, Socken, T-Shirt und Pullijacke mit Kapuze. Die waren also nicht im Rucksack.
Kleidung
- 1 lange Hose
- 1 Badehose
- 5 Unterhosen
- 5 Paar Socken
- 5 Shirts
- 1 leichte Jacke
- 1 Pullijacke mit Kapuze
- 1 Regenjacke
- Wechselschuhe (Adidas YEEZY 450; im schwarzen Meer auch als Badeschuhe getestet)
- Mütze und Halstuch (für kalte Nachtzüge)
Technik & Krempel
- PowerBank
- USB-C Netzteil
- 2 USB-C Kabel
- 1 Micro USB-Kabel (der alte Kindle hat nur das)
- Apple Watch Charger
- Whoop Charger
- AirPods Pro 2
- Kindle
- iPad
Kosmetik
- Zahnbürste (ich setze hier auf den langlebigen Akku der HappyBrush)
- Zahnseidesticks
- Zahnpasta
- Knirschschiene
- Tagescreme
- Sonnencreme
- Deoroller
- Stück Seife
- Haarspülung
- Reiseapotheke + Notfallzeug zur Amputation
Anderes
- Kleine Feuerweartasche für Tagesausflüge
- Reisepass & Personalausweis
- Gehörschutz
- Waschmitteltabs
- Kleines Handtuch
- 2 Jutebeutel für Schmutzwäsche & Einkäufe
- Taschentücher
Vor der Reise hielt ich das für ausreichend. Nach zwei Wochen die wir bereits unterwegs sind, halte ich es für zu viel. Ja, die Regenjacke war bereits sinnvoller als gedacht, aber der Rucksack ist mir zu voll. Ich würde zukünftig auf 3-4 Tage Wechselkleidung reduzieren. Da ich über 30 bin, darf ich sogar legal Funktionskleidung tragen. Werde mich diesbezüglich informieren. Momentan liegt mein Reisegepäck bei ~8 Kg, ich fände 5 Kg besser.
Folgende Utensilien hält Ortwin darüber hinaus für unentbehrlich
Für die leicht zu Weckenden:
• Ohropax, Schlafmaske & Noise Cancelling Kopfhörer
Für die Kurzsichtigen:
• Sonnenbrillenaufsatz von Ace & Tate
Für die Schwitzer*innen:
• Wasserzerstäuber
Für die Stilbewussten:
• Reisefön mit Kaltluft (batteriebetrieben, auch in Kombination mit Wasserzerstäuber nutzbar)