Tag 9 – Abreise und Überfahrt nach Europa

Zum Frühstück gibt es heute selbst gebackenen Zitronenkuchen, frische Orange, schwarzen Tee und eine hungrige Schildkröte, die gierig Blüten vertilgt. Anschließend beginne ich zusammenzupacken. Meine Reise ist noch nicht beendet, aber die Abreise aus Tunesien beginnt heute Nachmittag und fällt ganz und gar nicht leicht. Zuvor gehe ich aber noch in einen traditionellen Hamam. »Nimm möglichst eines ohne Bilder und ohne Bewertungen auf Google Maps – das sind die besten«, sagt meine Reiseführerin. Mit Handtuch und ein bisschen Bargeld mache ich mich auf den Weg. Der unscheinbare Eingang wird mir von einer Passantin als »C‘est pour les hommes« bestätigt. Ich war kurz verunsichert, da hinter der Eingangstür im Flur zwei Mopeds parken. Auch mit Sprachbarrieren ist ein Besuch im Hamam möglich – die Gastfreundschaft in diesem Land ist überwältigend. Wir lachen, ich werde an die Hand genommen und die nächste Stunde ein sehr tolles Erlebnis. Im Vorraum, der mit Teppichen und Matten ausgelegt ist, sind alte Holzspinde. Sie werden für jeden Besucher auf- und zugeschlossen. Anschließend geht es durch eine Dusche in den Schrubb- und Massageraum. Mir bleibt gar keine Zeit hilflos herumzustehen, ich werde von einem älteren Mann in Badehose begrüßt und mein »Je parle une Petit francais« wird mit »And I speak no english« gekontert. Er ist hier fürs Schrubben zuständig. Also fürs Menschen schrubben, denn dafür bin ich da. Zwei Männer sind noch vor mir dran, ich werde ins Dampfbad geschickt, bis es so weit ist. Vorbei an weiteren Duschen und vielen Plastikeimern wird es immer wärmer. Die Fliesen und Ornamente sind toll und mit so viel mehr Liebe und Details, als ich es aus Schwimmbädern zu Hause kenne. Vieles ist praktisch gehalten, so fehlt es auch hier an Mischbatterien. Links und rechts neben dem Duschkopf sind Schraubventile, an denen sich die Temperatur einstellen lässt. Ich greife einen Eimer und fülle ihn mit kaltem Wasser, bevor ich in den letzten Raum, das Dampfbad, gehe. Hier sitze und schwitze ich, tue es den anderen gleich und schöpfe ab und an Wasser über mich. Mein Kreislauf deutet irgendwann an, dass er gern eine Pause hätte, ich übersetze die Pause mit Dusche und wir sind beide überrascht, wie erfrischend das ist. Kurz darauf tönt ein »Hallo!« aus dem Raum nebenan und ich scheine gemeint. Auf dem vom Wasser gewärmten und aus Fliesen und Steinen gegossenen Boden lasse ich mich nieder. Der Mann in Badehose kommt tropfend aus der Dusche und ich bitte um die ganze Prozedur. So werde ich gedehnt, nicht direkt massiert, sondern eingerenkt und im Anschluss geschrubbt. Mit ganzem Körpereinsatz werden meine Knochen, Muskeln und was auch immer da noch ist sortiert und verwöhnt. Mit Schwamm, Olivenseife und der gekonnten Muskelkraft schält sich die Haut. War ich wirklich so schmutzig? Scheinbar. Die Dusche wird für mich auf eine angenehme Temperatur eingestellt und ich wasche Schaum und Hautröllchen ab. Fühle mich sauber wie nie zuvor und bereue es, nicht schon am ersten Tag hier gewesen zu sein.

Nachdem ich fertig gepackt und mich von den Schildkröten im Garten verabschiedet habe, suche ich den Sammeltaxistand, um ins Centre Ville von Tunis zu kommen. Irgendwo biege ich falsch ab und sehe zwar andere schöne Stände und Teile des Viertels, nicht aber den Sammeltaxistand. Ich verlaufe mich und winke schließlich einfach ein Taxi heran. Das letzte Geld muss eh noch weg, aus Tunesien darf keine hiesige Währung ausgeführt werden. Auf halber Strecke steige ich aus, warte auf A. und wir treten die letzte Station vor der Fähre an: noch einmal gemeinsam in den Souk. Oh, und Brick, muss ich noch probieren. Ein in dünnem Teig frittiertes Ei mit Kräutern, etwas Kartoffel und manchmal Thunfisch. Auf dem Weg halten wir die Augen offen und werden fündig. Es knuspert und schmeckt ganz gewaltig, nicht nur, weil ich Frittiertes mag.

Vorbei an Ananassaftständen, Brummkreisverkäufern und rosaroter Zuckerwatte navigiert A. uns durch die engen Gassen im großen Markt. Ich habe keine Ahnung, wo ich bin, meine nur hin und wieder etwas von meiner Erkundungstour am Freitag wiederzuerkennen. Der letzte offene Punkt meiner Mitbringselliste ist der Weihrauch für meinen Vater. Die Auswahl ist groß, die beste Reiseleitung der Welt bot daher ihre Nase Hilfe an. Wir kaufen schließlich nach längerer Suche an zwei verschiedenen Ständen jeweils unterschiedliche Sorten. Ein paar weitere schöne Dinge finden wir ebenfalls und dazu gesellen sich in einem Supermarkt noch Wasser, Limo, Chips und Gummitiere als Reiseproviant.

Später springen wir in ein Taxi zum Hafen. Der Taxifahrer verlangt 30 TND, umgerechnet rund 10 €. Für die laut Google Maps angezeigte halbe Stunde. Der Check-in für die Rückfahrt beginnt drei Stunden vor Abfahrt (19:30 Uhr) und bis 18:30 Uhr muss ich auf dem Schiff sein. Was Zoll- und Sicherheitskontrollen dazwischen an Zeit kosten, ist unklar. Um 17:15 Uhr checke ich ein, verabschiede mich mit allem, was ich noch habe, einem Trinkgeld von meiner Reiseleitung und betrete das Fährterminal. Sicherheitskontrolle #1, Fahrkartencheck #2, dann werde ich gebeten, mein Gepäck zur Kontrolle bereitzuhalten. Mit mir sind gerade nur drei weitere Personen am Schalter. Der Mann vor mir wird gefragt, wie viel Geld er dabei hat, er blättert einige Euroscheine durch und wird anschließend durchsucht. Von oben bis unten. Er muss seine Schuhe ausziehen und der Sicherheitsmensch schaut und kontrolliert das Innere. Dann die Tasche. Ich stehe ratlos daneben. Der Mann scheint zufrieden und wendet sich an mich, fragt ob ich etwas zu verzollen habe. Ich zähle bruchstückhaft Souvenirs auf, weiß nicht, was relevant sein könnte. »Money?«, fragt er harsch. Ja, ein paar Euro habe ich noch und krame. »Cinq Euro« – es ist der kleinste Schein. Er schaut in meinen Pass und lässt mich durch Kontrolle #3 ohne Rucksack, Schuhe oder meine zwei weiteren Beutel zu öffnen. Ich umklammere meinen Reisepass und frage mich, ob meine Zellen wieder wegen ein paar bunter Seiten Papier besser wegkommen. Sicherheitskontrolle #4 ist nur Metalldetektor für mich und routiniertes Röntgen für Rucksack und Beutel. Ich sehe den Hafen, Autos und mein Schiff am Anleger. 
Zu Fuß überhole ich die wartenden Autos, zeige meinen Pass #5 und darf um 17:45 Uhr über die Autorampe aufs Schiff. Hier ist der Pass egal, nur mein Check-in-Zettel wird gescannt. Geschafft. Bis das Schiff um 19:30 ablegt, beziehe ich meine Kabine, ruhe mich kurz aus und verarbeite den schönen Tag.

Der Weg zum Oberdeck um 19:30 ist komplizierter als gedacht. Viele Passagiere haben sich auf den Gängen niedergelassen und dort ihre Nachtlager aufgeschlagen. Der ausgeschilderte Weg aufs Sonnendeck ist gesperrt, ich finde aber zwei Ausgänge und mehrere Außentreppen, einen Weg aufs hintere Deck. Hier ist die Aussicht gut und wenig los. Es tröpfelt, als ich oben ankomme, und das Schiff hat sich bereits ein paar Meter von der Kaimauer entfernt. Tschüss Afrika, jetzt winke ich nochmal. Auch wenn es hier oben immer windiger wird und in der Ferne ein Gewitter über Tunis aufzieht, harre ich der Dinge und schaue zurück auf die schöne Zeit. Hier endet also die Reise auf dem afrikanischen Kontinent. Ich habe mit Tunesien und Marokko (dort war ich schon vor Jahren mal) nur einen winzigen Bruchteil erkundet. Diese Reise war besonders schön und ich komme wieder, keine Frage.
Diese Reise geht vorerst allein weiter. Morgen legt das Schiff in Italien an und ich muss Sprache, Kulinarik und die Art zu reisen wechseln: Züge, die planmäßig kommen, gab es in Tunesien nun wirklich nicht. Dafür so viele andere schöne Dinge, Tiere und Menschen.

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