Fensterlose Kabinen haben neben weniger Kosten auch andere Vorteile: mehr Schlaf durch kein natürliches Licht, weniger Wissen um Seegang und weniger Sehnsucht nach Horizont. Entsprechend entspannt wache ich gegen acht auf und gammle erst einmal herum. Zum Urlaub gehört auch auszuruhen, und die nächsten zwei Tage und Nächte werden eher kräftezehrend. Ich nutze die womöglich letzte Gelegenheit zu duschen, wobei ich bereits jetzt schon schmerzlich das tunesische Hamam vermisse. Wo wir schon bei Nachteilen einer Innenkabine sind: Unklar, ob das so soll, aber ich höre die Ansagen nur dumpf vom Flur und nicht in meiner Kabine. Natürlich erwarte ich bei dem günstigeren Preis keinen perfekten Service, aber wenn ich schon Schwimmwesten in der Kabine habe, würde ich gern auch hören, wenn es sie zu benutzen gilt. Nun ja, das sind Kleinigkeiten. Als Alleinreisender denke ich eh zu viel. Bei Reisen mit, für schon länger im Blog mitlesende nicht unbekannten, Freund Ortwin denke ich durch überhöhten Alkoholkonsum und 3 bis 5 volle Mahlzeiten am Tag eh kaum. Das geht gar nicht, mein Körper ist genug mit der Verdauung beschäftigt, als dass er an Gedanken nagen könnte.
Ich frühstücke Schokoladenkekse und Limonadenschorle. Dann gehe ich gucken, ob das Meer noch da ist. Ist noch da, mehr als genug Meer sogar in allen vier Himmelsrichtungen. Also weiter schreiben, bis irgendwann eine Ansage ertönt, die mich vor die Türe treten lässt. Ah, die Passagiere werden bereits jetzt gebeten, aus ihren vier Wänden auszuchecken. Dann fange ich wohl mal an zu packen. Mit Sack und Pack erklimme ich zwanzig Minuten später das obere Deck, um aufs Wasser zu gucken und zu schreiben. Ein Mann spricht mich an und fragt, als das Land schon greifbar nah ist, etwas auf Französisch. Ich frage ob er Englisch spricht und ja, wir kommunizieren etwas. Dabei erzähle ich, dass ich nach Berlin zurückfahre und wir ins Deutsche wechseln, bis sich der Kofferreisende zu seinem Auto verabschiedet. Ich gucke noch lange aufs Meer und gehe fast als letzter Fußgänger vom Boot. Entsprechend dauert es beim Zoll. Keinen Stempel später, ist ja Heimatunion, stehe ich an einer Straße und suche nach einem Bus zum Bahnhof. Mit mir viele andere und keine wirklich hilfreichen Informationen ob Mensch hier nur mit Hafenshuttle oder auch anders wegkommt.












16:45 Uhr, ein Bus sammelt mich und andere radlose Menschen ein. Ich weiß zwar nicht, wohin mich der kostenlose Hafen Shuttle bringt, aber es ist besser als den ganzen Hafen ablaufen zu müssen.
Der Bus wirft alle an der letzten Station innerhalb des Hafens heraus. Ein paar Minuten Fußmarsch, bis ich den Ausgang erreicht habe. Direkt dahinter ein McDonald’s. Willkommen zurück in Europa? Eine Pizza Marinara wäre mir jetzt lieber. Als ich nach dem nächsten Bus suche, sehe ich, dass die Zugstation nur 12 Minuten Fußmarsch entfernt liegt. Die Zeit habe ich, der erste geplante Zug ist durch die Schlange beim Zoll eh schon weg. Italien hat einen Wasser-Kiosk, an dem sich gegen 0,20 € die Trinkflasche mit stillem oder Blubberwasser auffüllen lässt. Ich spaziere etwas am kostenlosen, aber auch salzigerem Wasser und nehme auf dem Weg zum Bahnhof einen Supermarkt mit. Ich hätte Zeit für eine Pizzeria und hier sind die Preise sicher noch angenehmer als später in Rom. Doch ich habe überall die italienische Mittagspause abgepasst – nachmittags ruht hier der Betrieb. Lasst das nicht den arbeitswütigen Fritze in Deutschland hören, der kommt direkt mit dem Privatjet und klagt die Arbeitsmoral der Pizzabäcker an.
Ich komme mit Supermarktsalat, Obst und noch mehr Gemüse gerade rechtzeitig zum Bahnhof und wäre gewohnheitsmäßig fast in die zweite statt erster Klasse gestiegen. Aber ich gönne mir ja sonst nichts, diesen erstklassigen Interrail Pass nutze ich. Also, wenn es eine erste Klasse gibt … Ich gehe die gesamte Länge des Zuges ab. Dann frage ich die Zugbegleiterin. Keine erste Klasse, sagt sie. Alle sind gleich. Sympathisch.




Uns geht es zu gut, oder?
Im Zug bleibt mir eine gute Stunde für den Supermarktsalat, etwas Obst und Gemüse. Für die italienische Hauptstadt waren ursprünglich ein paar mehr Stunden eingeplant. Nun habe ich knapp zwei, bis mein Nachtzug nach Venedig fährt. Schade, hatte ich doch einen gut ausgearbeiteten Plan einer sehr netten Bekannten erhalten. Doch den gilt es eben beim nächsten Besuch umzusetzen, die Stadt läuft schließlich nicht weg.
In Rom angekommen muss ich erst einmal wieder lernen auf Ampeln zu achten. An großen Straßen gab es die Dinger zwar auch in Tunesien, doch dort galt noch immer gegenseitige Rücksicht (Autos haben natürlich Vorrang) und blankes Überleben. Hier wird gehupt, wenn der Mensch sich dem Auto in den Weg stellt – logisch, mein Körper und Gepäck würden bei Aufprall Kratzer oder Beulen produzieren.
Nacht etwas um den Block spazieren und Ausschau halten, ob ich Szenen aus Asterix und Obelix wieder erkenne, frage ich im Rifugio Romano nach einem Platz. Glücklicherweise sind es zwei und mein Rucksack findet ebenfalls Platz. Ich bin zwar bekennender Flexitarier, bei Milchprodukten mag mein Körper aber leider keine Experimente. Deshalb ist das vegane Restaurant für mich ein guter Ort, auch mal unproblematisch italienische Desserts zu bestellen. Ich bestelle vier Vorspeisen, um noch Platz für ein Dessert zu lassen.






Drei Speisen sind frittiert, das ist bereits ein Pluspunkt und allesamt schmackhaft. Sicher mit echtem Käse noch besser, aber für mich gut genug. Die gebackene Artischocke finde ich besonders gelungen. Diese Art der Zubereitung speichert der kleine Koch in mir. Vorspeisen schön und gut, aber eine Nachspeise muss auch sein. Oder zwei? Ich habe meine Reisekasse in Tunesien deutlich weniger belastet als geplant, also lebe ich mich heute etwas aus. Eine Vorspeise kostet zwar auch mehr als für eine Hauptspeise in Tunis berechnet wurde, aber was soll der Geiz – ich bin im Urlaub.



Um 22 Uhr mache ich mich auf den Weg zum Bahnhof Roma Termini und überlege, wie dumm es war, vor dem Nachzug Tiramisu zu speisen, während ich in diesem Urlaub auch kaum Koffein zu mir nehme. Na, mal sehen, ob ich schlafe. Rom war schön, zu kurz, aber ist wieder eine weitere Reise wert. Vielleicht ja schon im Herbst – mal sehen.
Als ich am Gleis meinen Wagen aufsuche, ahne ich Übel. Ich hatte es befürchtet, aber noch gehofft. Nein, es ist der Worst Case: Sitzwagen.
Ich war gezwungen, für die Verbindung etwas zu reservieren, hatte aber keine Auswahl, was ich da klicke. Durch das erste Klasse-Interrailticket hatte ich die Hoffnung, dass es trotz geringer Reservierungsgebühr von nur 4 € zumindest Liegewagen wäre. Nein. Nicht mal eine erste Klasse für Sitzreisende gibt es. Ich spreche mit dem Zugpersonal und es gibt Hoffnung. Platz zum Liegen gibt es und ich bekomme gegen Aufschlag von 31,40 € einen Platz im zweier Schlafwagen neben einem netten Italiener, der gutes Englisch spricht. Ach, ich würde so gern all die Menschen, die ich auf Reisen treffe, einmal wiedersehen und mit einem Babel Fish im Ohr konversieren.
Nun sage ich gute Nacht und schlafe schnell ein – diese Nacht ist kurz und Venedig will erlaufen werden.







