Tag 12 – Wien & weiter wohin?

Am Venediger Bahnhof St. Lucia starre ich nach Abholung meines Rucksacks aus der Gepäckaufbewahrung für 14 € auf die große Anzeigetafel. Das Logo des ÖBB Nightjet ist leicht zu erkennen zwischen den Italienischen Zügen, doch das Gleis lässt auf sich warten. Ich überbrücke die Wartezeit mir zwei Portionen Eis bis ich den Zug endlich um 20:54 Uhr auf Gleis 6 einfahren sehe, noch bevor die Anzeige davon weiß. Ich habe eine Mission: Schlafen & schreiben. Da die ÖBB App, in der meine Reservierung für einen Platz im 6er Liegewagen gespeichert ist, eine geringe Auslastung anzeigt, hoffe ich auch heute auf eine Upgradeoption. Ich konnte bei meiner Zubuchung des Nachtzugs zum Interrailticket nur den Couchette, Liegewagen auswählen. Es braucht da dringend ein europäisch übergreifendes Buchungssystem für mehr Barrierefreiheit in alle Richtungen. An Bord werde ich von der Zugbegleiterin meines gebuchten Wagens einen Wagen weiter an den Zugführer verwiesen. Der bittet um etwas Geduld und schlägt mir zwei Varianten vor: Ein Bett im 3er Schlafwagen oder ein Bett im 2er Deluxe mit Dusche und Toilette. Noch bevor ich Duschvorhang denken kann, habe ich mich für letzteres entschieden. Duschen auf Schienen gehört für mich zu den schönsten Dingen auf Reisen, auch weil ich gerne dusche, aber ebenso einfach weil es möglich ist.

Mein Abteilgenosse steigt erst in Udine zu, genügend Zeit entspannt zu duschen und den Willkommenssekt der ÖBB zu köpfen. [Bitte machen Sie, liebe Lesende sich keine Gedanken um die Verfassung meiner Leber – es könnte a) weitaus Schlimmer sein und b) gehöre Tage wie diese zu den absoluten Ausnahmen in meinem Leben.] Ich liege eine halbe Stunde später frisch geduscht mit ein paar Snacks auf dem Bett und schaue den vorbeihuschenden Lichtern zu. Kurz vor Udine verstaue ich Ralf – so nenne ich fortan meinen Reiserucksack – unter dem Bett. Ich liege nämlich ausnahmsweise unten. Stelle die Leiter für Gast Nr. 2 bereit und schlüpfe ins Bett. Wo ist eigentlich mein Ballast? Ich schaue nach und stelle erstaunt fest, dass er schneller reist als ich. Das Paket ist bereits in Bologna. Na mal sehen wer dieses Renen gewinnt.

Der später zugestiegene Abteilgenosse kommt von einer italienischen Insel und ist auf dem Weg nach St. Pölten. Wir plauschen noch etwas, bis er sich über die Leite in die zweite Etage unserer kleinen Appartements verabschiedet. Ich stöpsele meine AirPods mit Noise Canceling und sanften Klängen ins Ohr und entschwinde schnell ins Land der flachen Dächer. Irgendwann nachts tausche ich die inzwischen leeren Kopfhörer gegen Schaumstoffpfropfen aus dem Gute Nacht Kit und schlafe durch. Als ich um kurz nach sieben aufwache ist mein Übermieter bereits verschwunden – ich habe nichts gehört und bin wohl erholt. So gut geschlafen habe ich seit Tunesien nicht mehr.

Der Wiener Hauptbahnhof ist das kleine gallische Dorf für Rucksackreisende. Hier gibt es noch Schließfächer und während die dB Outsourcing betreibt, werden sie hier noch von der ÖBB selbst betrieben. Einziger Nachteil, es ist Bargeld, konkret Münzgeld notwendig. Mein Notfall 100 € Schein kann jetzt auch dran glauben. (Ich merke jetzt erst, dass ich den bei der Ausreise aus Tunesien unbewusst verschwiegen habe). Ich gehe zum ÖBB-Service Center und mir wird schnell und unkompliziert der große Schein klein gemacht. 2,50€ für mein verbliebenes Hab und Gut später spaziere ich federleicht am Manner-Laden aus dem Wiener Hauptbahnhof heraus. Mein Paket liegt weiterhin in der Nähe von Bologna herum – ich bin eben doch flotter.

Ich habe zwar auch eine App für den hiesigen ÖPNV parat, erspähe aber zahlreiche Leihräder. Ob ich noch Rad fahren kann? Mein Ziel der Wiener Prater ist gut erreichbar, ich sollte es testen. Der Weg führt über einen der bestbeschaffensten Radwege die ich je beradeln durfte. Herrlich, mein Hintern denkt wir würden auf Wolke 7 reiten. Wien hat auch abseits dieser Fahrradstraße mit Spezialbelag sehr gute Radinfrastruktur und die führt mich sicher und entspannt zum Prater.
Das Rad dockt an eine Station, Falco & Georg Kreisler in meinem Ohr an. Ich gehe G-Kräfte sammeln.

Zwei Stunden Wiener Prater mit ein paar bisher nicht gefahrenen Fahrgeschäften später radle ich den Weg zurück, decke mich im Manner-Shop mit Sommersorten und meinen geliebte Nougatknödeln ein. 17 Minuten vor Abfahrt des EC 104 nach Warschau stehe ich am Gleis. Warschau? Da war ich doch erst. Stimmt, ich steige auch vorher aus. Es ist wohl an der Zeit den letzten Teil der Reise zu lüften:
Ich fahre nach Katowice. Denn dort bin ich schon länger mit Arian, Freund S. & Freundin S. verabredet. Die Reise nach Tunesien passte gerade so davor und so endet die Reise mit einem Abstecher nach Polen und in den dort größten Freizeitpark Energylandia.

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