Sonntag, 29.06.2025
Nach einer erstaunlich ruhigen ersten Nacht – Ohropax sei Dank – starten J. und ich in unseren ersten vollen Tag in London. Kleines Frühstück aus Müsliriegeln und Obst im Hostel und dann machen wir uns mit dem Bus auf den Weg zu unserem ersten Ziel: Little Venice. J. fährt selbst Boot und ich mag diesen entspannten, angenehm ruhigen Ort in London sehr gern. Für mich ist es der sechste Besuch in der Stadt, J. war erst einmal hier und das auch nur einen Tag auf Sprachreise.



Nach kurzer Busfahrt schlendern wir entlang der Ufer, bestaunen die bunten, schmalen Hausboote, die hier vertäut liegen, und genießen die Kühle von Wasser und Bäumen. 30 °C sollen es heute werden. Ich glaube, so warm und trocken habe ich die Stadt noch nie erlebt. Wer mehr über das Leben auf einem Hausboot in London erfahren möchte, sollte sich das Gespräch mit ARD-Korrespondentin Annette Dittert in WR960 „Auf dem Hausboot in London im Brexit“ anhören.




Während wir abseits des Kanals weiter die Gegend erkunden, fällt mein Blick auf ein Schild mit der Aufschrift „Premium German Kitchen“. Ich habe in der Hostel-Dusche wieder gemerkt, wie selbstverständlich für mich eine Mischbatterie ist. Bei den Briten scheint das noch immer Hexenwerk deutsche Ingenieurskunst zu sein. Für eine kleine Stärkung steuern wir den passenderweise schräg gegenüber liegenden Aldi an. Es ist schon verrückt, wie vertraut manches wirkt, auch wenn die Preise hier in Pfund teils deutlich höher sind. Mit einem Sandwich und etwas Obst versorgt, machen wir uns zu Fuß auf den Weg zum Hyde Park, vorbei an der Paddington Station. Wir bestaunen kurz die beeindruckende Stahl-und-Glas-Konstruktion des Bahnhofs, die vom legendären Ingenieur Isambard Kingdom Brunel entworfen wurde. Den Bären hat er allerdings nicht gebaut.





Bald erreichen wir die schattigen Bäume des Hyde Parks. Mit seinen über 140 Hektar ist er eine der größten königlichen Parkanlagen Londons und eine wahre Oase bei diesen Temperaturen. Wir machen eine Pause am Princess Diana Memorial. Die Brunnenanlage aus Granit ist so gestaltet, dass das Wasser in zwei Richtungen fließt, was das Leben der Prinzessin symbolisieren soll. Wir nutzen die Gelegenheit und kühlen unsere müden Füße im erfrischenden Wasser, während sich um uns herum quietschende Kinder im kühlen Nass vergnügen. Bis die Füße wieder trocken sind, legen wir uns in den Schatten und planen wie es weiter geht.




Unser eigentliches Ziel ist die Themse, doch der Weg zieht sich. Spontan entscheiden wir uns, ein Stück mit dem Bus abzukürzen. Unser Timing ist perfekt: wir ergattern die tollsten Plätze oben und ganz vorne in einem roten Doppeldecker bis zur Haltestelle Battersea Power Station. Das ehemalige Kohlekraftwerk, das einst ein Fünftel des Londoner Stroms lieferte und durch das Albumcover von Pink Floyds „Animals“ weltberühmt wurde, ist heute eine riesige Shopping-Mall mit Luxusappartements und Büros. Die Umwandlung ist architektonisch beeindruckend, doch für uns genügt ein kurzer Spaziergang durch die klimatisierten Hallen, um der Sonne zu entkommen. Der pure Konsum in historischer Hülle ist zwar interessant anzusehen, aber wir wollen weiter und weder brauchen wir etwas noch würden wir es tragen wollen.




Lieber gehen wir auf ein Boot der „Thames Clippers“-Flotte. Diese schnellen Katamarane sind Teil des öffentlichen Nahverkehrs und bringen uns auf der Themse bis North Greenwich Pier. Vom Wasser aus ist die Stadt nochmals anders schön. Wir lehnen uns zurück, genießen den Fahrtwind und flüchten wenig später doch lieber vor der Sonne ins Innere des Bootes, um uns von der Klimaanlage etwas herunterzukühlen.




Vom Wasser geht es in die Luft: Die London Cable-Car verschafft für schmaleres Geld als das London Eye einen Überblick über die Stadt und führt außerdem von A nach B, statt sich nur im Kreis zu drehen. Während wir in der Luft sind, rufe ich Ortwin an. Er ist auf dem Weg nach Weeze. Von dort geht er morgen in die Luft. Übermorgen sehen wir uns dann und … Nein, das verrate ich noch nicht.



Mit wieder festem Boden unter den Füßen stapfen wir zum Bahnhof und steigen in die DLR. Die DLR fühlt sich an wie ein Blick in die Zukunft des Nahverkehrs, obwohl sie schon seit Jahrzehnten ein fester Bestandteil Londons ist. Denn die Docklands Light Railway, kurz DLR, ist fahrerlos. Sie ist eines der ersten vollautomatisierten Bahnsysteme der Welt, und so können wir direkt durch die Frontscheibe schauen, als würden wir den Zug selbst steuern. Erwartungsvoll, aber zu früh stehen wir kurz nach 18 Uhr vor The Comedy Store. Wir wollten Karten für die heute Improv-Comedy kaufen, sind aber zu früh. Also noch eine Runde Sightseeing für Julius. Ich zeige ihm Chinatown und The Prince Charles Cinema – das beste Kino Londons. Anschließend vergnügen wir uns zwei wunderbare Stunden im Comedy Store und lachen, bis uns Tränen kommen. Immer wieder einen Besuch wert, denn jede Show ist anders.







Montag, 30.06.2025
Am Montagmorgen heißt es bereits wieder Rucksack packen und auschecken. Die zweite Nacht im Hostelbett war wärmer und ich habe dennoch gut geschlafen. Gegen neun beginne ich mich aus dem Hochbett zu winden und leise alle Habseligkeiten aus meinem Schrank zu sammeln. Auch J. ist dabei zu packen und wir treffen uns um kurz vor zehn mit gepackten Rucksäcken an der Rezeption. Auf gehts nach London, Euston. Von dort fährt abends unser Zug und dort lagern wir unsere Rucksäcke bis dahin. Im vertrauenswürdigen „send to China“ bleiben die zwei Buckel und wir holen uns ein paar hundert Meter weiter eine Too good to go Breakfast bag bei „Pret a Manger„. Die Metro bringt uns Richtung Themse und zur Tate Modern Galerie. Wir haben leider nicht viel Zeit, durchstreifen aber unabhängig voneinander die größtenteils kostenfrei besuchbare Kunstsammlung von festen und wechselnden Künstler:innen aus der ganzen Welt. J. ist seit Jahren Bewunderer der Werke von Mark Rothko und ich erwische ihn gebannt vor einem großen Werk des Künstlers sitzend. Ich durchschreite noch einige andere Räume und schreibe mir den Ort auf meine ewige „If in London …“ Liste. Es gibt neben gezeichneten Werken und Photografien so viele (Video-)Installationen. Hier lässt sich beim nächsten Besuch mit evtl. typischem Londoner Wetter auf jeden Fall ein ganzer Tag verbringen.







Heruntergekühlt auf Normaltemperatur treten wir wieder hinaus in die sengende Sonne und laufen rund zwanzig Minuten zum nächsten und letzten Programmpunkt des Tages: Londons BFI IMAX Laser-Cinema.




The complete immersive film experience. BFI IMAX has the UK’s biggest screen, and world-class sound and projection technology.
British Film Institute IMAX
Dieses Kino wollte ich schon lange besuchen und nun ergibt sich die Möglichkeit, mit einem Film der Actiongeladen ist und sich auf dieser Größe auch lohnen dürfte: F1 – The Movie. Der Trailer hat mir aus technischen Gründen gefallen und dass Apple den Film mitproduziert und stark beworben hat, dürfte dazu beigetragen haben, dass ich ihn jetzt auch in Gänze sehen will. Rennsport, Sport generell interessiert mich kaum, gerade die Formel 1 ist mir zu viel Kommerz, Benzin und Werbung. Auf der Leinwand aber funktioniert diese Welt für 2 1/2 stunden sehr gut und die Laserprojektion in Kombination mit korrektem Sound und guten Sitzplätzen machen das Ergebnis rund.
Nach dem Kino rollen wir in einer fahrenden Sauna zurück zur Euston Station. Dort angekommen ein paar Snacks aus dem Supermarkt und eine Überraschung in der Bahnhofshalle: Störung auf allen Verbindungen von und nach London. Unser persönlicher Reiseassistent und Vorkoster vorausfahrende Lieblingszugführer Arian berichtet von Umleitung, Verspätung und Freibier an Board seines Zuges. Rosige Aussichten – immerhin sind wir auf der Zielgeraden zum Start der Tour de Bier. Morgen mehr dazu. Für heute endet der Eintrag ins Reisetagebuch in London Euston kurz vor dem Caledonian Sleeper.
