Tag 5 – Tunis schmecken, fühlen, riechen

Der Tag beginnt mit einem Ausblick auf einen Zitronenbaum. Anschließend bekomme ich ein wunderbares Frühstück bestehend aus Kichererbsen-Hirsebrei, der mit Datteln gesüßt und Nüssen verfeinert wurde. Dazu frisches Obst und einen Tee. Anschließend begleite ich A. zu ihrer Arbeit. Wir spazieren erst durch Marsa und steigen dann in eine der vielen Sammeltaxen, reichen ein paar Münzen nach vorne und rufen rechtzeitig, um wieder hinausspringen zu können. Während A. unterrichtet, mache ich mich auf in die Innenstadt von Tunis. Sightseeing, Souk und Jagd nach frischen Artischocken. Hier sei kurz eingeworfen, dass meine Unterkunft mit hervorragender Küche ausgestattet ist, ich deshalb die Gelegenheit nutzen und abends für drei Menschen kochen möchte. Am Endhaltepunkt des Sammeltaxis ist ein Clock Tower. Big Ben ist größer, doch hier sind Springbrunnen und es ist belebter, trotz leichtem Nieselregen. Ich gehe gemächlich und warte zwischenzeitlich unter Bäumen und Vordächern. Auf dem Weg liegt auch ein Kino, bei dem ich kurz Station mache. Es wäre mir eine Freude, hier ins Kino zu gehen, mal sehen, ob wir das schaffen. An der Markthalle angekommen rieche ich mich wie Grenouille durch alle Abteilungen: Fleisch, Gemüse, Fisch, Obst, Gewürze, Plastik. Wie gerne würde ich mit dem auf der Fähre im Teleshopping angepriesenen Gasgrill vor der Markthalle campen und alles anbraten, kochen oder frittieren. Auf dem Markt macht Einkaufen mehr Spaß als im Supermarkt. Nach zwei Runden durch die Gemüsestände habe ich die schönsten Artischocken erspäht und bestelle »Six artichauts s’il vous plaît«. Da die in Dreierbündeln verkauft werden, hakt der Verkäufer nach, aber ich kann meinen Wunsch nach sechs einzelnen in den Beutel umsetzen. Gerne hätte ich auch eine Plastiktüte von ihm dazu bekommen, doch ich bin selbstverständlich mit Jutebeutel angereist. Dazu gesellen sich noch vier Auberginen – ich möchte das in Paris verspeiste pflanzliche Tartar nachkochen.

Dann begebe ich mich vom Markt in Richtung Souk. Wer schon einmal einen solchen Ort besucht hat, weiß um den labyrinthischen Charakter. Auch ich gehe im Souk verloren. Hier mein 

SOUK-TAGEBUCH

12:20 Uhr – Tunis bekommt Besuch von einigen Wolken. Der erst leichte, dann stärker werdende Regen treibt mich in den Souk.

12:31 Uhr – Bisher habe ich nichts notwendiges, aber viel schönes angeboten bekommen.

12:36 Uhr – Kistenweise Gewürze, Tee, Weihrauch , Silber, Schmuck und Schlüsselanhänger überfordern mich.

12:42 Uhr – Google Ausgang auf arabisch.

12:48 Uhr – Ich glaubte hinter einer Ecke Tageslicht gesehen zu haben, war aber nur eine Spiegelung. Der Spiegel ist günstig! Übe mich im verhandeln.

12:53 Uhr – Mittagspause. Ich bestelle mir Essen in der Chapati El Medina. Gefülltes Brot mit Ei, Thunfisch, Kapern, Gewürz und scharf. Auf den Stühlen sitzen andere gestrandete. Wir sprechen unterschiedliche Sprache, doch uns vereint der Sog des Souk. Der Ort ist eine kleine Oase, ich trinke eine Dose Limo, wer weiß schon wie weit der Weg noch ist.

13:12 Uhr – Gestärkt und mit neuem Mut mache ich mich auf den Weg.

13:18 Uhr – Hier war ich schon einmal.

13:24 Uhr – Bestelle mir Essen in der Chapati El Medina. Schmeckt gut. Der Besitzer scheint mich zu kennen, netter Mann. Trinke eine Dose Limo.

13:34 Uhr – Ich bin gestolpert und habe mir Hose und Hemd aufgerissen. Für nur 9 TND werde ich komplett neu eingekleidet und parfümiert.

13:46 Uhr – Die neue Armbanduhr ist recht schwer. Unsicher, ob es echtgold ist. Der Preis war aber unschlagbar.

13:51 Uhr – Ich sehen keinen Ausgang, aber den Himmel. Der Regen hat nachgelassen, was mache ich nun mit den gerade gekauften Gummistiefeln?

13:55 Uhr – Für Teppiche habe ich mich ja immer schon interessiert.

14:04 Uhr – Der Teppich hat ein schönes Muster und war erstaunlich günstig.

14:15 Uhr – Ich hab es geschafft. Ich bin draußen. Endlich und gerade richtig. Muss dringend auf die Toilette.

14:19 Uhr – Habe auf Google Maps eine Toilette gefunden. Halte mich strikt an die Richtungsanweisungen. Die nächste Toilette ist ganz nah.

14:22 Uhr – Ich folge den Anweisungen und stehe vor einem Toilettenladen. Im Souk. Jemand fragt, ob ich Arganöl brauche.

Zurück zur Unterkunft, für die Vorbereitung des Abendessens möchte ich die Bahn nehmen. Ich steuere die TGM Station Marine an und sehe hinter dem Ticketoffice bereits die Züge stehen. Ein Ticket für ein TND später will ich zu den Gleisen, aber werde zurück und in die andere Richtung gerufen. »No Train, Monsieur. Le Bus!«. Wie schade. Ich stopfe mich in den schon sehr gut gefüllten Bus und genieße an der Tür stehend die grandiose Aussicht. Mein Kopf kann gar nicht schnell genug verarbeiten, was ich alles sehe: Alte Züge, ausgemusterte Trams, den Containerschiffshafen , Großbetriebe, dahinter Berge und davor den Lac de Tunis – Bodden. Ich sehe die gestrige Brückenbaustelle heute von der anderen Seite. Reges Treiben und fleißige Menschen bei der Arbeit. 
Der Bus steht gute zwanzig Minuten später in Marsa im Stop-and-go des Spätnachmittagverkehrs. Ich springe an einer Station hinaus und laufe den Rest des Weges. Habe ich bereits die vielen Katzen erwähnt, die hier überall sind? Nutzen wir das Ende dieses Tages, denn außer einem leckeren Abendessen gibt es nicht mehr zu berichten, für Katzenbilder – die gehören ins Internet.

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