»Deux cent cinquante grammes Psissa«
Bestelle ich nach dem Frühstück in der kleinen Mühle, die in meinem Reiseführer meiner Reiseführerin lobend erwähnt wird. Der freundliche Herr hinter der Kasse erzählt, dass die Mühle in Familienbesitz und er bereits die dritte Generation ist. Mehr verstehe ich leider nicht, nehme mir aber vor, diese vermaledeite französische Sprache auch nach dem Urlaub weiter zu üben. Es gibt mehr als einen Grund, das zu tun. Dazu bestelle ich noch getrocknete Harissa Schoten und 1,5 kg Olivenseife. Ein Anfang der Mitbringsel für mich und andere. Am liebsten verschenke ich Verbrauchsgegenstände und Nahrung. Die liegen nicht herum und erfüllen einen Zweck. Auf der Schulter habe ich bereits eine große Portion Datteln. Zum Frühstück haben wir die letzten verputzt. Nun gibt es Nachschub und eine Portion für mich zum Mitnehmen.





Nach Abladen der Einkäufe und ein bisschen Gedanken fürs Blog ordnen (ich erlebe und sehe hier so viel, abends einen Blogpost schaffe ich nicht – auf der Fähre zurück wird fertig geschrieben) mache ich mich auf zur TGM Station La Marsa. Zwischendurch ruft Freund J. aus Berlin an. Die Hauptstadt hat kein gutes Wetter und er eine Mütze auf. Glücksgriff diese Reise. Ich trage Sonnencreme und langes Hemd, um einer Überdosis UV zu entgehen. Ohne Sonnenbrille würde ich mich durch den Tag blinzeln. An der Station löse ich ein Ticket und nutze die undefiniert lange Wartezeit bis zur Abfahrt für die Erhöhung meines Flüssigkeitshaushalts. Unweit des Bahnhofs finde ich einen kleinen Händler. 1,5L Wasser und eine Dose Limo. Sechs Dinar möchte der nette Mann an der Kasse, ich stutze und bin innerlich stolz, das verstanden zu haben. Touri preise oder habe ich eine besonders teure Limo gegriffen? Ich tausche die Limo gegen eine andere, er lacht. »C’est la même chose. Les deux importés.«. Ich erfrage eine Empfehlung, er verweist auf den Kühlschrank daneben und ich erkenne die Sortierung. Ich griff nach französischen Importen – die kalte Coca-Cola und Co. daneben sind natürlich günstiger. Absurde Welt. Ich nehme etwas, das nicht nach dem Weltmarktführer von Zuckerwasser aussieht, und zahle 1,8 TND für 2 Liter Flüssigkeit. Einen großen Schluck Wasser später landet die Limo als Schorle in der großen Flasche und ich harre am Bahnsteig der Dinge. Die Minuten vergehen, doch keine Bahn erscheint. Nach etwa fünfzehn Minuten meine ich ein leises Zugquietschen in der Ferne zu vernehmen, doch das Gleis bleibt leer. Um kurz vor 12 rollt die Bahn kaum quietschend heran und plötzlich sind viele andere Menschen auf dem Bahnsteig. Der Zug ist nicht voll, aber gut gefüllt. Ich fahre nur zwei Stationen, bis ich in Sidi Bou Said ankomme.

Mein erstes Ziel ist ein besonderer, traditioneller Laden für Bambalouni, tunesisches Fettgebäck, welches, um etwas gesünder zu wirken, noch in Zucker gewendet serviert wird. Dieser Laden ist wirklich schön traditionell und hat sich auf die Produktion von Bambalouni und einem bestimmten Keks spezialisiert, mehr nicht. Ich esse beides und bin sehr zufrieden. Satt und süß finde ich einen Weg, der runter zum Meer führt. Die Treppe ist teilweise weg durch einen Erdrutsch. Überall blüht es und ich himmle all die vielen Kakteen an, bis ich ans Wasser gelange. Auch hier ist es wunderschön, doch noch heißer als schon auf der Treppe. Schatten ist um diese Zeit ebenfalls rar. Als ich nach einem ausgedehnten Spaziergang am Wasser, der sich in der Mittagshitze anfühlt, wie eine Wanderung, zurück in Richtung Stadt begebe, passiert doch noch etwas Spannendes heute. Im Schatten einer Mauer stehend, hält ein schwarzer Polo neben mir an. Mit Taxen bin ich das schon gewohnt, aber es ist das erste Privatauto und ich habe länger schon niemand anderes gesehen. Doch Tunesien überrascht wieder im positiven: Der Fahrer wähnt mich auf dieser Strecke verloren, möchte helfen. Erst als ich auf den Schatten hinweise und Google Maps auf dem Telefon vorzeige, ist er glücklich und wünscht »Bonne voyage«! Er versteht vermutlich dennoch nicht, warum jemand freiwillig läuft. Etwas Aufstieg zurück in die Hauptstraße des Ortes später mache ich Mittags- und Schwitzpause in einem Hipstercafe für Touristen. Hier gibt es einen großen Salat, der mir ein paar Vitamine vor dem zweiten Bambalouni des Tages verschafft. Dazu Minztee.









Meine nächste Station ist das Dar El Annabi, ein ehemaliges Wohnhaus einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie aus dem 18. Jahrhundert. Der Gebäudekomplex, denn Haus wäre zu wenig, wurde liebevoll in ein Museum umgewandelt. Die verschiedenen Räume aus unterschiedlichen Zeiten geben Einblicke in das traditionelle tunesische Leben. Während des Rundgangs durch die prachtvollen Räume – vom Wohnzimmer, der privaten Bibliothek über den Gebetsraum bis hin zum Garten und einer beeindruckenden Dachterrasse – lasse ich mir allerlei dazu erzählen. Mangels Texttafeln oder Tourguide sage ich der KI »Ich bin im Dar El Annabi. Sei mein Audioguode und Erzähle mir etwas!«. Das funktioniert erstaunlich gut und mit Nachfragen wird es sogar personalisiert. Zum Abschluss gibt es im schattigen Innenhof einen süßen Minztee – eine tolle Atmosphäre. Als eine Touristengruppe eintrifft, wird es Zeit für mich zu gehen. Ein Schmalzkringel geht noch, dann gehe ich zur Post, Karten frankieren und winke mir ein Taxi heran. Für heute habe ich mich genug bewegt und will erstmal nur Poolpause machen und Schildkröten streicheln.



















Abends mache ich mich noch einmal auf und gehe zum Barbier. Mein 3-Tage-Bart ist schon über eine Woche alt und als Minimalist reise ich ohne Rasierhobel. Nach etwa 15 Minuten Fußmarsch finde ich noch einen Barbier, der geöffnet hat und mich ganz traditionell rasiert. Er schlägt zwar auch vor, mir noch die Haare zu schneiden, das verschieben wir nach etwas Diskussion aber auf den nächsten Besuch. Frisch rasiert hole ich weitere Mitbringsel, Lebensmittel und Spezialitäten. Für mich gibt es ein Fricasse auf die Hand: Frittiertes Brötchen, mit Salat und Ei gefüllt. Auf dem Rückweg kommt mir ein lachendes, tunesisches Pärchen entgegen. Sie im Deutschlandtrikot von Bastian Schweinsteiger. Heimat ist überall.



