Berlin – Antwerpen – Gent – Brügge

»Wann fahren wir nach Plopsaland?« fragte Arian im November 2023, und wie hätte ich bei diesem Namen nein sagen können? Arian ist in vielen Belangen mein Buddy: Nachtzug, Achterbahn und Filmprojektion – er kann nicht alles, aber er ist nah dran. Er ist daher ein würdiger Reisebegleiter, denn Ortwin hat keine Zeit, auch wenn ihn die längste Straßenbahn der Welt mindestens genauso reizen würde wie mich die Achterbahnen. Mit dabei außerdem seine Liebste, Sarah. Zu dritt sind wir das Dream-Team Plopsaland De Panne.

Plopsaland ist ein Freizeitpark in Belgien, und wie der Name es sagt, müssen Freizeitparks in der freien Zeit, die wir haben, bereist werden. Unser Nachbarland und generell andere Länder sind am besten mit Zügen zu erreichen. Schlauer Zug, Arian mitzunehmen, er macht das beruflich (siehe Tag eins unserer Fahrt nach Georgien).

Nun ist also März, genau genommen Sonntag der 16. und ich habe um 22 Uhr die Wohnung verlassen und mich auf dem Weg zum Berliner Hauptbahnhof gemacht. Von dort soll uns der European Sleeper bis Brüssel bringen, im Schlaf. Vom weiteren Plan weiß ich nich nicht all zu viel, es wird also spannend.

Kaum haben wir Berlin verlassen, schlägt Arian vor, dass wir schon vor Brüssel aussteigen könnten. Antwerpen sei schön und Brüssel würden wir ja alle zur Genüge kennen. Kaum unterwegs und schon eine Planänderung – ich dachte, Reisen ohne Ortwin wäre anders und werde direkt eines Besseren belehrt. Wir beschließen erst einmal mit einem Bier den Abend zu beenden und während anderswo die Bürgersteige hochgeklappt werden, klappen wir die Betten runter.

„Das ist ein BVCMZ 248.1 oder .3 auf jeden Fall kein .5“

Sagt Arian, als wir unser Abteil betreten: Wir haben ein ganzes Abteil für uns drei, das wir als Valentins-Special für absurd wenig Geld bekommen haben. Der Wagen verkehrte früher mit einem Autozug, und da in einem Auto fünf Personen Platz haben (Jürgen, Annemarie, Petra, Julia und der kleine Thomas), gibt es hier auch fünf Betten. Zu dritt also sehr entspannt.

Während ich mir die Waschräume ansehe, um meine Zahnbürste in den alltäglichen Kampf gegen Karies und Zahnstein zu schicken, bereiten Sarah und Arian unsere Betten vor. Für Arian sollte es zwar eigentlich Urlaub sein, aber Betten klappen und vorbereiten kann er im Schlaf. Dann treibt ihn die Neugier nach Wagenmaterial und Zusammenstellung des Zuges aber doch noch aus dem Abteil am einen Ende, bis zur Lokomotive am anderen Ende des Zuges. Ich falle derweil in einen tiefen Schlaf, bis die Ansage für den Bahnhof Deventer mich gegen sechs das erste Mal wach rüttelt.

»Aufgrund von Bauarbeiten am deutschen Schienennetz hat unser Zug über Nacht eine Verspätung von 60 Minuten erlitten«

Zugführer gegen sieben Uhr

Ich erwache vollständig, weil der Akku meiner Noise-Canceling-Kopfhörer leer ist und die Zeit des stillen Schlummerns damit endgültig vorbei ist. Meine Abteilfreunde Sarah und Arian scheinen die analogen Stöpsel im Ohr zu bevorzugen und schlafen noch entspannt, während der Zug nach Amsterdam einrollt. Ich habe Amsterdam zwar schon mehrfach besucht, nur durchgerollt bin ich noch nie. Ich räume mein oberstes Bett frei, klappe es ein und lege mich eine Etage tiefer neben ein bisschen Gepäck, um aus dem Fenster schauen zu können.

Sarah korrigiert mich nach dem Aufwachen: »Ich mag keine Stöpsel im Ohr, dann höre ich meine Gedanken zu laut.«

Die Verspätung lässt uns entspannt frühstücken und aus dem Fenster gucken. Die Niederlande hält Enten, Gänse, Schafe und interessant gekleidete Zweibeiner zu unserer Unterhaltung bereit, bis wir Antwerpen erreichen. Auch wenn bis Brüssel gebucht, verlassen wir schon hier den Zug. Arian schnackt noch mit dem Lokführer, bis dieser per Lichtsignal zur Weiterfahrt aufgefordert wird. Dann schauen wir uns den Bahnhof, nein erstmal die Schließfächer an – ohne Gepäck ist alles angenehmer.

Bahnhöfe ja sind oft nur Dächer für Gleise – nicht so in Antwerpen. Die riesige Kuppel, die prunkvolle Eingangshalle und die detaillierten Verzierungen lassen eher an ein Schloss als an einen Bahnhof denken. Antwerpen Centraal ist Architektur durch die Schienen führen: 185 Meter lang, 64 Meter breit und 44 Meter hoch. Die Höhe diente als Rauchabzug für die früheren Dampflokomotiven. Einst gab es hier einen eigenen Wartesaal für den König, heute ist der Saal ein Café, das Le Royal, in dem wir uns mit Kaffee und Tee verköstigen. Auch der Bahnhof selbst hat sich weiterentwickelt. Einst Kopfbahnhof, heute ein vollwertiger Durchgangsbahnhof auf mehreren Ebenen. Während oben noch die historischen Gleise liegen, fahren unten Hochgeschwindigkeitszüge. Wir steigen über nicht rollende Rolltreppen (heute wird hier gestreikt) nach unten und in eine Bahn. Irgendwo angekommen geht es hinaus und wieder hinunter. Die Rolltreppe funktioniert diesmal, scheint aber eine der ersten ihrer Art zu sein.
Arian hat uns zielsicher in den Sint-Annatunnel gelotst. Ähnlich dem Hamburger Elbtunnel verbindet dieser für Fußmenschen und Radfahrende das Stadtzentrum mit dem linken Scheldeufer. Hier gibt es noch die originalen Holzaufzüge und Holzrolltreppen aus den 1930er Jahren, die bis heute in Betrieb sind. Rustikal und ein tolles Erlebnis. Nachdem wir die 572 Meter unter der Schelde hindurch spaziert sind, finden wir auf der anderen Seite einen tollen Blick auf die Stadt und einen schönen Park samt Spielplätzen. Zurück nehmen wir die Fähre, die kostet nichts und setzt so schnell über, dass ich die Überfahrt bei kurzem Ausruhen auf einer Bank fast verpasst hätte. Allein auf der Fähre gibt es vermutlich mehr Farradständer als am Berliner Hauptbahnhof. Ich überlege Kai Wegner eine Postkarte zu schreiben.

Wir stärken uns mit Fritten, bevor wir uns auf den Weg zum Bahnhof machen. Arians Lokführerefreund Alexander holt uns in Gent ab und führt uns durch die Stadt. Am Bahnhof gibt es mehr Fahrradstellplätze als in ganz Berlin zusammenaddiert. Überlege, eine Busreise für CDU-Abgeordnete zu organisieren. Die Stadt ist schön und belebter als Antwerpen. Ich habe bereits etwas müde Beine und nach einem Spaziergang kehren wir in eine schöne alte Kaffeerösterei ein, um Tee zu bestellen. Für mich, die anderen trinken Kaffee. Um auch den belgischen Spezialitäten zu huldigen, wechseln wir anschließend mit der Tram ins Monopole, einer herrlichen alten Kneipe, und zu belgischem Bier. Zwei Runden später bringt uns Alexander zu einem Zug, den er nicht mehr selbst fahren dürfte, denn 9,6 Umdrehungen sind hier für ein Bier anscheinend Durchschnitt.

Die Fahrt von Gent nach Brügge ist kurz, und es ist schon dunkel, als wir die Stadt um 20 Uhr erreichen. Mit dem Bus kommen wir dem Hotel Ter Brugge näher, und während Arian und Sarah sich noch in einer Kneipe näherkommen, falle ich in die Badewanne. Vor 24 Stunden habe ich noch die WG-Spülmaschine ausgeräumt, denke ich, und puste Schaum in die Luft.