Nach einem sehr ausgewogenen Frühstück in unserem Hotel – bei dem es von A wie Ananas, C wie Cremant, über H wie Hagelslag zu L wie Lachs und Z wie Zuckerwaffeln alles gibt – machen wir uns auf, Brügge zu erkunden. Neben vielen Schokoladenläden gibt es kleine Hoodies, für die ich mich gern schrumpfen würde, und alles, was das Touristen-Herz begehrt.




Nach einem wenigem Stadtspaziergang kommen wir an einem Anleger an und überlegen uns, einen Schwan zu mieten. Seit 1972 ist es in Brügge allerdings verboten, Touristen auf Schwänen zu transportieren, weshalb der Bootstourismus hier floriert. Wir mieten uns ein Boot für 40 Personen und teilen es dann doch mit 17 anderen Menschen. Eine Stadt wie Brügge erkundet man am besten vom Wasser aus, sagt der Kapitän. Ich halte ihn da für befangen.
Die Kanäle durchziehen die Stadt und erzählen ihre lange Geschichte durch den Lautsprecher des Boots. Unsere Tour startet an einem ehemaligen Krankenhaus aus dem Jahr 1188, das heute samt Bootseingang noch gut erhalten ist. Wir passieren sehr niedrige Brücken (vom Kapitän als Guillotin-Brücke bezeichnet) und genießen den Blick auf den idyllischen Lake of Love, der von vielen Schwänen besiedelt wird. Heute haben nur drei davon Schicht. Direkt daneben liegt ein noch bewohntes Kloster. Fünf Nonnen halten die Stellung, es bleibt unklar, ob sie auch Bier brauen. Bier ist hier seit Jahrhunderten beliebt, denn im Mittelalter war das mit dem Trinkwasser so eine Sache – oft ziemlich schmutzig und krankmachend. Da kam Bier wie gerufen. Durch den Brauprozess verschwanden die Keime. Also hat man lieber zu Bier gegriffen, sogar die Kinder – allerdings war das damals eher leichtes Bier mit wenig Alkohol. Die Bierkultur treibt noch heute Trinker:innen in die Stadt, und die Brauerei „De Halve Maan“ hat dafür 2016 eine 3,2 km lange und bis zu 34 m tiefe Pipeline für den vierradfreien Transport ihrer Sorten Brugse Zot und Straffe Hendrik in Betrieb genommen.
Weitere Highlights vom Kahn aus sind ein ehemaliger Steuerposten – ein Zeichen der Macht der alten Stadtherren – sowie ein Haus mit 720 venezianischen Kristallfenstern, das älteste seiner Art in Brügge.








Brügge erlebte sein “goldenes Jahrhundert” im 15. Jahrhundert, als die Stadt mit über 14.000 Einwohnern florierte. Doch als das Meer langsam zurückwich, litt der Handel, bis Ende des 19. Jahrhunderts ein neuer Hafen an der Küste das wirtschaftliche Comeback einleitet. Heute sind die Fassaden der Häuser geschützt. Mit viel Geld lässt sich die Fassade stützen, dahinter modernisieren und stadtbildkonform bleiben. Zum Abschluss grüßt uns die Liebfrauenkirche (niederländisch Onze-Lieve-Vrouwekerk), deren 115 Meter hoher Turm über die Stadt wacht.



Wir gehen mit festem Boden unter den Füßen die 366 Stufen zum Brügger Belfried hoch. 83 m hoch ist der Turm und beheimatet ein tolles Glockenspiel, dessen Melodie jährlich angepasst wird. Gerüchten zufolge hat die Stadt versehentlich ein Jamba-Kirchtonabo abgeschlossen. Nach Bootstour und Kirchturmmarsch ist es Zeit, unsere Rucksäcke aus dem Hotel zu holen. Wir wollen schließlich heute noch Straßenbahn fahren. Dafür steigen wir in einen schicken Regionalzug, der uns nach Knokke bringt.




Die längste Straßenbahn: Von Knokke nach De Panne
Die Küstram verbindet auf 67 Kilometern die belgische Küste – von Knokke im Norden bis De Panne an der französischen Grenze. Sie ist die längste Straßenbahnlinie der Welt und fährt einen Teil der Strecke direkt an der Nordsee entlang, vorbei an Dünen und Stränden. Sie verbindet Städte und Seebäder. Unterwegs hält sie an 68 Stationen. Wir machen Station in De Haan, um das Meer zu beobachten, Eis zu essen und, weil es so schön dort ist, auch noch ein bis zwei Biere zu trinken.




Die Bahn verkehrt, wenn nicht gerade gestreikt wird, im Sommer alle zehn Minuten, im Winter etwas seltener. Perfekt, um entspannt von einem Badeort zum nächsten zu fahren – und dabei doch immer in der Nordsee zu schwimmen. Es gibt an zwei Stellen sogar Umleitungen für die Tram, falls eine Hebebrücke, über die sie fährt, mal eben für Schiffsverkehr geöffnet werden muss.

Nach der Pause ist die letzte Etappe bis zu unserem Zielbahnhof De Panne Centraal noch einmal eine gute Stunde. Sie führt diesmal wirklich nah am Meer vorbei. Die Sonne hat leider bereits Feierabend in diesem Breitengrad und so stellen wir uns das Meer vor, während wir uns die Nasen an der Tramscheibe platt drücken.
Wir erreichen einen stillen Küstenort, der schon fast alle Bürgersteige hochgeklappt hat. Statt Abendessen vom Teller begnügen wir uns mit Instandnudeln aus dem Becher und versacken auf der Couch. Morgen geht’s ins Plopsaland!